Jan 24 2021


Drei Jahre nach meiner ersten Dunkelretreat-Erfahrung, welche damals 5 Tage dauerte, habe ich mich während den Rauhnächten 2019/2020 erneut in die Stille und komplette Dunkelheit begeben. Dieses Mal für 10 Tage und 10 Nächte. Dieses Retreat habe ich im Rahmen meiner Ausbildung zur Dunkelretreat- Betreuerin gemacht. 
So habe ich mich am 25. Dezember für 10 Tage komplett zurückzuziehen. Kein Handy, kein Buch und vorallem KEIN LICHT.

Ein Dunkelretreat ist ein Rückzug in ein Zimmer, das absolut stockdunkel ist. Wenn man das Zimmer verlassen oder mal das Fenster öffnen und lüften möchte, zieht man eine spezielle lichtdichte Brille an.Essen und Getränke werden von Betreuern zum Zimmer gebracht.

Wenn die visuellen Reize und Aeusserlichkeiten wegfallen, dann ist da nur noch das eigene SELBST. Man wird unausweichlich auf sich selber zurückgeworfen. 

Ich war gespannt, was mir mein Rückzug in die Dunkelheit dieses Mal zeigen wird. Meine Themen kenne ich. Doch in der Dunkelheit geht es noch eine Schicht tiefer als in üblicher Prozessarbeit. Die Dunkelheit ist die Projektionsfläche des tiefen Unterbewusstseins und so kommen Dinge aus grosser Tiefe hoch. Es kann eine grosse spirituelle Weiterentwicklung, lichtvolle Erfahrungen, Hellsichtigkeit, Astralreisen, ausserkörperliche Erfahrungen und vieles mehr stattfinden.

Anfangs habe ich mich im Dunkel sehr wohlgefühlt. Ich habe es genossen auf dem gemütlichen Sofa zu sitzen und in das Dunkel zu blicken und die unzähligen schönen und eigenartigen Lichtformationen zu beobachten. Denn dunkel ist es im Dunkeln nie. Schon nach kurzer Zeit beginnen die Augen sich daran zu gewöhnen und man beginnt einiges zu sehen. Es kann auch sein, dass man plötzlich die Möbel im Zimmer sieht usw.

Doch nach ein paar Tagen hatte ich immer mehr Widerstände, in der Dunkelheit zu sein. Mehr und mehr hatte ich das Gefühl, hier meine Zeit zu verschwenden und wäre lieber im Wald spazieren gegangen. Mir fehlte die tägliche Bewegung. Und zudem hatte ich das Gefühl, dass ich ja schon sooo viel Erfahrung mit Prozessarbeit habe und es im Grunde nicht mehr nötig habe, noch mehr davon zu tun. Was für ein überheblicher Gedanke!

Am 6. Tag meines Rückzugs hatte ich ein Gespräch mit der Betreuerin. Sie kam am Nachmittag in mein Zimmer und fragte mich, wie es mir geht. Ich sagte, dass ich oft das Fenster aufmache zum Lüften, da mir frische Luft und Bewegung in der Natur sehr fehlten. Sie fragte mich direkt, wovor ich denn davonlaufen möchte? Da wusste ich, bzw. mein Ego wusste, dass sie mich ertappt hat und ich nicht mehr ausweichen kann. Nach wenigen Minuten im Gespräch wurde klar, welchen schmerzhaften Schatten aus meiner Vergangenheit ich ausweichen wollte. Und dass JETZT die Chance da ist, diese wahrzunehmen und sie aus der Tiefe ans Licht zu holen. Dies war schmerzhaft und zugleich sehr befreiend.

Ja das Ego ist super-kreativ im Erfinden von allen möglichen Geschichten, die einem glauben lassen, dass man es nicht mehr nötig hätte, im Dunkeln zu bleiben und dass man das Retreat abbrechen könne. Das Ego tut dies, weil es Angst davor hat, sich aufzulösen. Denn je mehr wir in unser Licht und in unsere vollkommene Liebe kommen, je mehr löst sich das Ego auf und so tut es alles, um dies zu verhindern.

Die nachfolgenden Tage konnte ich sehr geniessen und hatte kein Bedürfnis mehr rauszugehen und habe nur noch kurz gelüftet oder nur in der Nacht gelüftet. Denn beim Lüften am Tag kommt Tageslicht ins Zimmer. Auch wenn ich die spezielle Dunkel-Brille trug und das Licht nicht gesehen habe, so hat es mein Körper dennoch über die Haut aufgenommen. Und das Licht verhindert den Prozess, um wirklich in die Tiefe zu gelangen. So habe ich mich mit der Unterstützung der Betreuerin tiefgehend in meinen Prozess einlassen können und konnte in den letzten Tagen des Retreats viel Heilung erfahren und habe wieder einmal viel über mich gelernt.

Das Thema und die Absicht, mit der ich in meine Dunkelzeit gegangen bin, war meine Weiblichkeit noch mehr zu entfalten, da ich spürte, dass dies noch nicht ganz rund war. Und ein Thema der Urweiblichkeit ist die vollkommene Hingabe. Was bedeutet, dass jegliche Kontrolle über das Leben losgelassen werden muss. Und dieses Thema des "Kontrolle loslassen" wurde zu meinem Hauptthema im Retreat.

Kontrolle loszulassen ist eines der schwierigsten Themen im menschlichen Dasein. Kontrolle wirklich und wahrhaft loszulassen bedeutet, vollkommen im HIER UND JETZT zu sein und das, was JETZT gerade stattfindet, vollkommen ANZUNEHMEN und willkommen zu heissen. Egal wie schmerzhaft oder unangenehm es ist. Wenn es schmerzt, sich nicht verschliessen und nicht den Atem anhalten. Das tun wir automatisch wenn wir im Schmerz oder in der Angst sind. Der Atem wird oberflächlich, denn wir wollen nicht fühlen. Atem ist Leben und wenn es schmerzt, weichen wir dem Leben aus. So habe ich mich durch meinen alten Schmerz durchgeatmet, habe gefühlt, was endlich gefühlt werden wollte. Was solange in der Tiefe begraben war und was endlich in Liebe angenommen werden wollte. So konnte es sich auflösen. Heilung konnte stattfinden. Verhärtungen in Körper und Seele wurden wieder weich und sanft. Welche Befreiung und welche Wohltat das war!

Am 10. Tag wurde ich von der Betreuerin nach Draussen ans Licht geführt und durfte in meinem Tempo meine Dunkel-Brille abziehen und brauchte Stunden, um mich ans Licht zu gewöhnen. Innert Kürze hatte ich Kopfschmerzen und einen verspannten Nacken. Mir wurde klar, dass ich meinen Körper mit dem Licht überfordert hatte. Ich bin zu schnell nach draussen und im Wald spazieren gegangen. Ich hätte mir mehr Zeit geben sollen. Eigentlich ist es wie nach dem Fasten. Es braucht viel Achtsamkeit beim Fastenbrechen und ein langsames, mehrtägiges Angewöhnen an das normale Essen.

Was äusserst besonders war an meinem Dunkelretreat war, dass am Morgen nach meiner Rückkehr nach Hause, mein liebster Freund von dieser Welt gegangen ist. Dies war für mich ein Schock, da ich mich nicht mehr von ihm verabschieden konnte. Dies zog mir den Boden unter den Füssen weg, da ich seit 30 Jahren sehr mit ihm verbunden war. Ich habe richtig gefühlt, wie sich mein Herz-Chakra in diesem Schock verschlossen hat. Das war sehr schmerzhaft. Und für ein paar Tage fiel ich in eine tiefe Dunkelheit. Dies war sehr speziell, da ich soeben aus echter Dunkelheit gekommen bin und diese nicht als dunkel, sondern als lichtvoll empfunden habe.

Und das Thema meines Retreats - Kontrolle loslassen - wurde aktueller denn je. Ich wurde geprüft, ob ich dazu bereit bin. Während fast zwei Wochen wurde ich mit grossem Schmerz von Verlustangst, Kontrollverlust und tiefer Trauer konfrontiert. Immer wieder atmete ich mich durch den Schmerz hindurch. Sagte mir immer wieder, dass es kein böser Traum, sondern die nackte Wahrheit ist, dass mein Freund nicht mehr da ist. Ich musste es mir so oft sagen, da ich es nicht glauben konnte. Mehr und mehr konnte ich die Wahrheit annehmen, konnte das JETZT und die neue Situation annehmen. Habe meinen Schmerz beatmet und gefühlt. Bis er sich mehr und mehr aufgelöst hat und sich mein Herz-Chakra wieder öffnen und sich an der Schönheit des Lebens erfreuen konnte.

So wurde mir klar, was damit gemeint ist, dass der eigentliche Prozess meistens erst nach dem Retreat beginnt. Denn das Leben bringt uns Situationen, in denen wir mit denselben Themen des Retreats konfrontiert werden. Doch erschrecke jetzt nicht! Dies soll Dich nicht davon abhalten, in die Stille und in die Dunkelheit zu gehen. Meine Geschichte ist die meinige und Du wirst eine andere erleben. Jeder bekommt vom Leben nur das, was gerade richtig für ihn ist. Rückblickend und zusammenfassend war mein Prozess, sehr lichtvoll und heilsam. Und seit dem Tod meines Freundes, bin ich noch bewusster im Alltag und noch stärker in meinen Lebensfluss. Denn eines ist klar: Kontrolle gibt es keine über das Leben. Also lass sie lieber gleich jetzt los. So fliesst Dein Leben geschmeidiger und leichter....

Verfasst von Corinna Ehling am 28. Januar 2020

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